Dienstag, 04:19 Uhr

Dezember 2017

Zu viele Rituale

In diesem Jahr freuen wir uns auf ein besonderes Weihnachten: Lena, unsere Älteste (17), ist gerade von einem Auslandsjahr zurück, und zum ersten Mal werden auch die Eltern meines Mannes mit uns feiern, die sich nicht mehr so fit fühlen, wie gewohnt über die Feiertage zu seiner Schwester nach Wien zu fahren. So weit, so schön – allerdings fürchten mein Mann und ich, dass wir die unterschiedlichen Erwartungen der Beteiligten kaum unter einen Hut bringen können. Tim und Helen, unsere Jüngsten (7 und 11) bestehen auf den traditionellen Abläufen (Krippenspiel, zusammen singen,...), Lena will uns einige Rituale zeigen, die sie bei ihrer Gastfamilie in Kanada kennen lernte, und auch meine Schwiegereltern haben besondere Rituale, die ihnen wichtig sind.

Und Sie selbst? Worauf kommt es Ihnen und Ihrem Mann ganz besonders an? Auf die Gefahr hin, Sie zu provozieren: Ihre Beschreibung der Herausforderung, der Sie sich gegenüber sehen, weckt fast den Eindruck, als seien Sie als Regisseure verantwortlich für ein Schauspiel, das die anderen bestellen und genüsslich genießen – oder, wenn Ihnen das Kunststück nicht gelingt, mit schlechter Laune zum Fest quittieren. In diese Rolle würde ich mich gar nicht erst drängen lassen. Andersherum wird ein Schuh daraus: Sie feiern mit ihren Kindern Weihnachten, und wenn die anderen mitfeiern möchten, sind sie herzlich willkommen. Als Gäste, aber nicht als Beiköche – (zu) viele verderben bekanntlich den Brei.

Um gleich mal im Bild zu bleiben: Angenommen, Ihre Schwiegereltern sind jeher daran gewöhnt, am Heiligen Abend einen Karpfen zu verspeisen – müssen Sie diese Tradition dann fortführen? Auch wenn Tim und/oder Helen keinen Fisch mögen? Oder wenn Lenas Gastfamilie in Kanada ihr Haus zu Weihnachten von außen und innen mit Coca-Cola-Weihnachtsmännern, Rentieren und knallbuntem Kitsch dekoriert hat – wollen Sie das dann nachahmen? Natürlich lohnt es sich, vorher einmal genau bei Lena und den (Schwieger-)Eltern nachzuhaken, welche Vorstellungen und Ideen zum Verlauf des Festes sie mitbringen und was für sie (zum Beispiel aus gesundheitlichen Gründen) ein No-go ist. Und dann überlegen Sie, was davon den jeweils anderen Beteiligten gefallen und „schmecken“ würde. Vielleicht läuft das dann am Ende darauf hinaus, dass Lena nach „Oh Tannenbaum“ und „Stille Nacht“ das eine oder andere kanadische Weihnachtslied singt oder ihr Schwiegervater seinen berühmten Christstollen backt. So können Sie alle an den Überlegungen und Vorbereitung beteiligen und gleichzeitig zum Erzählen über unterschiedliche „Weihnachts-Kulturen“ in den Familien hierzulande, in Kanada oder in Wien anregen. Das kann alle Beteiligten bereichern und ihr gegenseitiges Verständnis vertiefen. Vielleicht erfahren Sie so, was Lena an der kanadischen Weihnacht gefallen (und was sie zu Hause womöglich vermisst?) hat. Und Tim und Helen finden es bestimmt spannend zu hören, wie ihre Großeltern als Kinder Weihnachten gefeiert haben und was Ihnen deshalb bis heute noch wichtig ist.

Was ich aber vermeiden würde, ist eine Aneinanderreihung möglichst vieler Rituale nebst minutiöser Planung und Festlegung, wer wofür „verantwortlich“ ist. Im Extremfall würde das dazu führen, dass jede/r sich auf sein/ihr Fest konzentriert und/oder dass die Erwartungen noch mehr steigen – mit programmierten Enttäuschungen. Und denken Sie bei dem Versuch, ein einzigartiges Fest zu gestalten, das genau zu Ihrer einzigartigen Familie passt, ab und zu an die Weisheit des Mundart-Schriftstellers Fritz Reuter: „Nimm di nix vör, dann sleit di nix fehl.“

In unserer Rubrik Familie von A-Z finden Sie weitere interessante Artikel und Infos zu dem Thema Entwicklung des Kindes.

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