Vor dieser Leistung kann jeder, der sich als Erwachsener einmal eine Fremdsprache anzueignen versuchte, nur erblassen. Binnen vier, fünf Jahren erlernen Kinder das komplizierte System ihrer Muttersprache mit tausenden Wörtern und hunderten Grammatik-Regeln (und fast noch mehr Ausnahmen) – ganz nebenbei, ohne dass sie oder ihre Eltern dazu irgendeinen erkennbaren Lern- und Lehraufwand treiben müssten. Gerade jetzt, in der zweiten Hälfte des zweiten Lebensjahrs, machen viele Kinder dabei rasante Fortschritte; fast täglich eignen sie sich neue Wörter an. „Vokabelspurt“ oder gar „Wortschatzexplosion“ nennen das die Sprachentwicklungsforscher. Und zusätzlich erarbeiten viele Kinder sich schon die ersten Kapitel Grammatik. Sie bilden zum Beispiel Mehrzahl-Formen oder sagen Mama ‘laft (schläft) statt Mama ‘lafen.
Allerdings legt jedes Kind dabei sein eigenes Tempo vor; manche drücken sich einstweilen besonders geschickt in Gesten statt in Worten aus. Bis zu einem Jahr liegen Vorreiter und Nachzügler in der Entwicklung manchmal auseinander, ohne dass die langsameren Kinder gleich als „verzögert“ gelten müssten. Denn viele von ihnen holen diesen Rückstand später im ICE-Tempo wieder auf.
Eltern helfen ihrem Kind dabei am besten, indem sie seine Freude am Sprechen fördern (› Das Bad in der Sprache). Das heißt auch: auf kleinliche Korrekturen verzichten, wenn es „Fehler“ macht. Viele Eltern nutzen deshalb ganz intuitiv die Strategie der „korrigierenden Rückmeldung“: Ja, die Kühe machen Muh. Ein strenges „Das heißt nicht Kuhe, sondern Kühe“ missachtet dagegen das eigentliche Interesse des Kleinen: Es will keine Grammatik lernen, sondern etwas über Kühe. Die Sprache lernt es nebenbei – und darum umso leichter.
So funktioniert’s:
Die Eltern ...
... fassen alles in Worte, was sie mit ihrem Kind zusammen tun.
... zeigen ihm durch Fingerspiele und Klatschverse, dass Sprache Spaß macht.
... schauen mit ihm Bilderbücher mit Szenen aus seiner Alltagswelt an und sprechen mit ihm darüber.
... ermöglichen ihm viele Entdeckungen und Erfahrungen, damit es neue Wörter kennen und die Bedeutung von Ball, weich, neben und anderen Begriffen mit allen Sinnen verstehen lernt.
... imitieren mit ihm Tierlaute und andere Geräusche (smmm, brrrm). Das trainiert seine Sprechwerkzeuge.
... nennen die Dinge beim richtigen Namen. Kinderwörter wie Wauwau sind nur für Einjährige ein Fortschritt.
... fragen geduldig nach, wenn sie ihr Kleines nicht verstehen. Es soll spüren: Mama und Papa wollen mir helfen. Und nicht: Sie sind unzufrieden, weil ich nicht richtig spreche.
... verführen es mit Hand- oder Fingerpuppen und kleinen Rollenspielen (Teddy füttern, Puppe baden …) zum Sprechen.
... fördern Kontakte zu gleichaltrigen und etwas älteren Kindern.