Seit eh und je muss es für Sara lila, rosa oder pink sein. Diesmal ist es ein rosa Kleid, das sie sich zum Geburtstag wünscht, mit Glitzer drauf.
Ihre Eltern, ökologisch engagiert, schlucken. Textilien und Spielsachen müssen für ihren Geschmack nachhaltig und verträglich produziert sein. Und die eindeutige Geschlechtszuweisung, die Saras rosa-lila Farbenwelt signalisiert, finden sie „echt doof“. So ein „Typisch-Mädchen“-Schema lehnen sie aus tiefster Seele ab.
Dass die Eltern ihre Vorlieben nicht teilen, spürt Sara natürlich. Sie hat ihrem Papa schon öfter empfohlen, doch mal ein rosa T-Shirt zu kaufen und zu tragen; wie das bei ihm ankam, konnte sie gar nicht übersehen. Umgekehrt versucht ihre Mutter, ihr immer mal wieder blaue oder rote Pullis schmackhaft zu machen – genauso erfolglos.
Inzwischen ist Saras Outfit schon eine Art Markenzeichen geworden. Nicht nur die Kleidung ist pink, nein, auch das Fahrrad, der Regenschirm und der Schulranzen. Den ziert obendrein noch ein Einhorn mit glitzernder Mähne. „Wartet doch einfach ab“, hatten Freunde den Eltern geraten, „irgendwann flaut die lila-pinke Welle von selbst ab. Machtworte euerseits und ein Kampf mit Sara würden diese Phase nur verlängern!“ Vorerst allerdings wehen den Eltern zu jedem Anlass von Saras Wunschzetteln Feenstaub und Einhornhaar entgegen und stürzen sie in einen Zwiespalt. Natürlich möchten sie ihrem Kind die Freude nicht verwehren, und natürlich soll es einen eigenen Geschmack entwickeln. Aber könnte ihre Tochter sich nicht bitte, bitte auch mal für Dinge interessieren, die ihrem eigenen ästhetischen Empfinden wenigstens ein bisschen näher sind? „Außerdem“, findet Saras Mutter, „soll in jedem Geschenk doch auch ein Stück von mir stecken!“
Muss man noch erwähnen, dass die sehr dünnen Haare von Sara ausschließlich eine Form haben dürfen, nämlich lang? Ihre Patentante schenkte ihr neulich einen durchsichtigen Chiffonschal mit Sternen drauf. Am nächsten Morgen kam Sara zum Frühstück runter und hatte sich den Schal kunstvoll ins Haar geschlungen, so dass es noch länger und feenhafter aussah. Worauf ihrer Mutter ein gellendes „Nein!“ entfuhr: So gehst Du nicht in die Schule. Wir sind doch nicht im Karneval.“
Natürlich protestierte Sara zunächst genauso empört, aber schließlich ging sie doch ohne den Schal zur Schule. Normale Kleidung in der Schule, Verkleidung nur nach der Schule: Auf diesen Kompromiss hatten Eltern und Tochter sich am Ende geeinigt. Einen Trumpf hatte sich Sara allerdings noch aufbewahrt: „Zum Geburtstag wünsche ich mir von Oma eine rosa Strähne ins Haar, vom Friseur!“