Dienstag, 06:47 Uhr

Das erste Zeugnis

Eine Chance, kein Urteil

Das erste Zeugnis

Dem ersten Zeugnis ihres Schulkinds fiebern viele Eltern fast so aufgeregt entgegen wie dem ersten Schultag. Verständlich: Sie möchten wissen, ob es sich in der Schule gut eingelebt hat.

Wenn ihre Kinder das Zeugnis dann präsentieren, fühlen sich viele Eltern allerdings eher verwirrt als besser informiert. Zum Beispiel durch solche Sätze: „Im Umgang mit den Mitschülern reagierte Lukas sehr empfindsam.“ Oder: „Er kann schon viele Buchstaben unterscheiden und setzt sie meist richtig in Laute um.“ Und: „Wenn Lukas sich mehr Mühe gibt, wird er sicher bald lernen, alle Buchstaben und Zahlen formklar zu schreiben.“

Atempause

Schön und kraftvoll

Schön und kraftvoll,
zart und zerbrechlich
ist unser Leben.
Jeder Tag ist ein Geschenk,
jeder Augenblick eine Gelegenheit
zu blühen und sich zu entfalten.
Manchmal ganz anders,
als wir es uns erdachten.

Ingrid Schreiner
aus: Ingrid Schreiner, Zu Zweit.
Adventsmomente für die Partnerschaft.
© Echter Verlag Würzburg 2014, S. 89

Das klingt ja alles ganz positiv. Doch bei genauem Hinsehen tauchen Zweifel auf. Was heißt zum Beispiel „empfindsam“? Geht Lukas gut auf die Gefühle anderer Kinder ein? Oder benimmt er sich wie eine Mimose? Und: Entsprechen seine Buchstaben-Kenntnisse den Lernzielen? Oder müsste er eigentlich alle Buchstaben „sicher beherrschen“? Ziemlich eindeutig ist da schon die Kritik „Wenn Lukas sich mehr Mühe gibt“: Wahrscheinlich schludert er beim Schreiben …

Doch der positive Ton, in den die Lehrerinnen auch mittelmäßige und schlechte Zeugnisse verpacken, ist Absicht. Sie wollen nicht die Mängel, sondern die Fortschritte der Kinder betonen und ihnen so Mut machen für die Zukunft. Manche fassen das Zeugnis sogar als Brief ab, in dem sie das Kind direkt ansprechen. Das hat einen großen Vorteil: Die Lehrerinnen sind gezwungen, genau hinzugucken und das Kind individuell zu beurteilen. Und die Beschreibung seiner Lernfortschritte besagt eigentlich doch viel mehr als ein einfaches „Befriedigend“!

Die Kehrseite: Die freundliche Formulierung kann zu Missverständnissen führen. Viele Eltern schätzen die Leistungen ihrer Kinder womöglich besser ein, als sie tatsächlich sind. Davor schützt nur Nachfragen. Gelegenheit dazu bietet ein persönliches Gespräch mit der Lehrerin, das vielen Pädagoginnen mindestens genauso wichtig ist wie das Zeugnis selbst. Dabei geht es nämlich auch um Lehren für die Zukunft: Wie können Lehrerin und Eltern dem Kind gemeinsam beim Lernen helfen? Dann bleibt das Zeugnis kein Urteil, sondern es wird zu einer neuen Chance.

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