Freitag, 07:48 Uhr

Patchworkfamilien

Die Kinder in der Zwickmühle

Patchworkfamilien

Gut Ding will Weile haben, das gilt gerade auch für Patchworkfamilien (oder „Stief­familien“). Bis ihr Zusammenleben gelingt, braucht es erfahrungsgemäß viel Zeit und vor allem Geduld.

Für die Erwachsenen ist es eine beglückende Erfahrung, wenn sie nach einer Trennung oder dem Tod des Partners wieder einem Menschen begegnen, mit dem sie als Paar leben möchten und können. Doch ihre Kinder sind oft hin- und hergerissen. Viele hoffen noch lange nach einer Trennung, dass ihre leiblichen Eltern wieder zusammenfinden – eine Hoffnung, die Mamas Neuer oder Papas Neue durchkreuzen. So behutsam die Erwachsenen das Kind auch an ihre neue Beziehung zu gewöhnen versuchen, dem Kind selbst geht das alles zu schnell; es braucht eben seine Zeit, sich von Herzenswünschen zu verabschieden. Dazu kommt: Bei Kindern, die schon längere Zeit allein mit einem Elternteil zusammenleben, ist oft eine besonders enge Beziehung, eine „verschworene Gemeinschaft“ gewachsen. Ein neuer Partner bringt dieses System aus dem Gleichgewicht und weckt logischerweise zunächst Eifersucht: „Wen hat die Mama lieber, den Neuen oder mich?“
Ähnliche Gefühle entwickeln sich, wenn die Neue oder der Neue eigene Kinder mit in die Beziehung bringt. Dann müssen die Kinder sich mit (weiteren) Geschwistern auseinandersetzen und ihren Platz in der Familie neu bestimmen. Oft ändert sich sogar ihre Stellung in der Geschwisterreihe, bekommt zum Beispiel die bisherige „Kronprinzessin“ einen älteren (Halb-)Bruder. Bis alle „ihren“ Platz gefunden haben, lassen Rivalitäten und Abgrenzungskämpfe sich kaum vermeiden.

Nicht zuletzt stürzt eine neue Partnerschaft der Mutter oder des Vaters Kinder auch in Loyalitätskonflikte: „Soll der jetzt mein Papa sein? Ich habe doch schon einen …“ Aus dem Hintergrund mischen dabei oft der „weggetrennte“ Elternteil oder die Großeltern mit, die von der neuen Beziehung nicht begeistert sind, und versuchen, die Kinder auf ihre Seite zu ziehen … Sogar Kinder, die ihre neuen Stiefeltern „eigentlich“ mögen, fühlen sich manchmal in der Zwickmühle,: „Die ist ja wirklich nett. Aber darf ich die überhaupt nett finden?“ Die innere Verbundenheit mit dem leiblichen Elternteil lässt die Zuneigung zur Stiefmutter oder zum Stiefvater als „Verrat“ am verstorbenen oder geschiedenen leiblichen Elternteil erscheinen.

Atempause

Gott baut sein Haus da,

wo er willkommen geheißen
und umarmt wird von Frauen und Männern,
die Freiheit und Hoffnung ausstrahlen,
die Geschmack am Leben vermitteln,
die das Leben erhellen.

Ermes Ronchi
aus: Ermes Ronchi, Die nackten Fragen des Evangeliums, Neue Stadt Verlag, 42018, S. 53

Verständnisvolle Stiefmütter und -väter versuchen deshalb nicht, die leiblichen Eltern zu verdrängen oder zu ersetzen. Umso besser können sie ihre Rolle als „soziale Eltern“ wahrnehmen: den Kindern eine gute Beziehung als neue Partner des leiblichen Elternteils anbieten, die Spielregeln für das alltägliche Zusammenleben mit ihnen festlegen, Vorbild sein. Über die Grundlinien der Erziehung entscheiden dagegen nach wie vor die leiblichen Eltern – die religiöse Erziehung, welche Schule es besucht, wie viel Taschengeld es bekommt und was es damit selbst finanzieren muss …

Die Kinder selbst können die neue Familienkonstellation am besten akzeptieren, wenn die Beziehungen Zeit zum Wachsen haben und allen Beteiligten bewusst ist: Dieser Prozess kann sich über mehrere Jahre hinziehen. Und: Eine „klassische Kernfamilie“ werden wir nie sein. Die Gefahr von Enttäuschungen und Rückschlägen ist dabei umso geringer, je mehr die Erwachsenen die Wünsche, Interessen und inneren Konflikte der Kinder ernst und wichtig nehmen. Dann kann das Zusammenleben in der Patchworkfamilie für alle zu einer positiven Erfahrung werden.

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